Bingetagebuch: Ijon Tichy – Raumpilot

Low Budget – High Performance

Eines gleich zu Beginn: Man muss sich bei Ijon Tichy: Raumpilot auf eine Low-Budget-Verfilmung einlassen. Lowest Budget gar. Ijon Tichys Rakete ist von außen eine Bodum-artige Kaffeekanne und von innen die Berliner Wohnung des Hauptdarstellers. Diese Optik zieht sich aber ganz selbstbewusst als Stil-Aussage durch die beiden Staffeln der Serie und trägt damit nicht unwesentlich zum (selbst-) ironischen Grundton bei. Die Reminiszenz an ein gewisses Bügeleisen ist sicher auch nicht ganz unbeabsichtigt. (Notiz an mich: Ein RaumpatrouilleRewatch ist überfällig.)

Kurzweilige kosmische Komik

Lässt man sich von dieser Prämisse nicht abschrecken (was bei mir all die Jahre durchaus ein wenig der Fall war), weiß die schräge und spaßige Science-Fiction-Satire durchaus zu gefallen. Die Kürze der Folgen und der beiden Staffeln trägt sicherlich dazu bei, dass man sich durchweg gut unterhalten fühlt. Die erste Staffel von 2007 besteht nämlich nur aus sechs Folgen mit jeweils 14 Minuten Länge, Staffel zwei von 2011 kommt auf acht Folgen, die je 23 Minuten lang sind. Aktuell findet man die komplette Serie in der ZDF-Mediathek (dort noch bis Ende März 2020 verfügbar), Amazon bietet sie in seinem Streaming-Dienst auch an (dort allerdings zur Zeit nicht im Prime-Paket enthalten – kostet also extra). Folge eins hat das ZDF ganz offiziell bei YouTube hochgeladen. Wer also mal in Ijon Tichy: Kosmische Kollegen reinschauen mag, nur zu! Folgender Trailer gibt ebenfalls einen guten ersten Eindruck:

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Einschub 1: ZDF-Mediathek-App

An dieser Stelle ein kleines Lob der ZDF Mediathek sowie ihrer Android-App. Ich schaue dergleichen ja oft gern beim Pendeln und nutze dabei in den meisten Fällen die entsprechenden Apps der beiden geläufigen kommerziellen Streaming-Anbieter. Inzwischen muss sich das Angebot des ZDF nicht mehr dahinter verstecken – sogar eine Downloadfunktion fürs Offline-Gucken wurde mittlerweile eingebaut.

Frei nach Stanisław Lem

Inhaltlich orientiert sich die Serie vor allem in der ersten Staffel überraschend dicht an der literarischen Vorlage. Ja, die Halluzinelle ist dazuerfunden – aber zum Beispiel hält sich die dritte Folge über große Strecken fast Wort für Wort an den Text der “Siebenten Reise” beziehungsweise des ersten Kapitels der Sterntagebücher. Außer diesem Zeitschleifen-Abenteuer sehen wir den Helden unter anderem auf Koluppenjagd oder wie er in einem interplanetaren Gremium die Mitgliedschaft der Menschheit begründen soll. Ein Großteil der Geschichten ist jedoch selbst ausgedacht oder verfremdet die Vorlage mehr oder weniger stark. Den freien Umgang mit dem Originalwerk macht die Serie sogar selbst zum Thema, wenn Ijon Tichy in der letzten Folge der ersten Staffel einer fiktiven Autorin seiner Erlebnisse begegnet, die sich unter anderem über die Halluzinelle beschwert, die in ihren Aufzeichnungen gar nicht auftauche. Mit Selbstironie und Meta-Spaß dieser Art kriegt man mich ja immer.

Einschub 2: Das Originalwerk

Meine erste Lektüre der Sterntagebücher liegt lockere 30 Jahre zurück, wie oft ich sie in der Zwischenzeit gelesen habe, vermag ich nicht mehr zu sagen. In jedem Fall hat dieses Buch – wie auch weitere Teile des Lem‘schen Werks – großen Eindruck bei mir hinterlassen. Das ging soweit, dass die Wahl meines Pseudonyms (im Science-Fiction-Fandom gehörte ein solches einst zum guten Ton) auf Ijon Tichy fiel. Die Mischung aus tiefgründig-philosophischer SF und teils albernem Humor hat mir außerordentlich gefallen – und gefällt mir noch heute. Nicht umsonst animiert mich der Konsum dieser TV-Serie hiermit zu einem erneuten Reread der literarischen Vorlage.

Fazit

Die Serie ist unterhaltsam. Auch wenn sie an einigen Stellen im Vergleich zur Vorlage etwas zu albern gerät und an Tiefgründigkeit vermissen lässt, macht sie dennoch Spaß. Durch die konsequente Low-Budget-Optik und die skurrilen Figuren kann sie legitim als eigenständige Variation des Quellenmaterials bestehen. Ob der pseudo-polnische Akzent wirklich not getan hat (ja, Lem war ein polnischer Autor, haha), will ich gar nicht beurteilen. Ernsthaft stören tut er nicht – außer dass man Gefahr läuft, nach ein paar Folgen am Stück selbst so zu quatschen. Viel länger als die insgesamt 14 Folgen hätte das ganze aber auch nicht gehen müssen. Insofern: Runde Sache. Macht Laune. Schaut’s euch an!

Dennoch: Freuen würde ich mich schon, wenn es irgendwann einmal eine aufwändigere Verfilmung eines oder mehrerer Ijon-Tichy-Abenteuer geben sollte.

Kategorien: Bingetagebuch

6 Kommentare

  1. Und die letzten Worte von Herrn Tichy: “Endlich lecker Omlett” (zumindest in der Serie).
    Ich hab just gesehen, man kann sie nur noch bis Ende März in der ZDF-Mediathek ansehen. Da werde ich mal einen Ijon-Tichy-Tag einlegen müssen. :-)

  2. Also gegen die Serie komme ich nicht an. Der Trash stört mich nicht und Nora Tschirner hat anscheinend eine schöne Rolle. Aber dieses Pseudo-Polnisch-Deutsch tat wirklich nicht Not. Ich habe eine tiefe Abneigung gegen falsche Akzente.

    Deiner Empfehlung, die Sterntagebücher mal zu lesen, werde ich aber nachkommen. Bis jetzt habe ich mich tatsächlich immer gedrückt.

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