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Gratiscomictag 2011 – ich freu mich drauf

Über den letztjährigen – den ersten in Deutschland – hatte ich berichtet. Ein kleiner Nachklapp sei mir aber gestattet. Ich bin nämlich noch den Beweis schuldig, dass sich der Gratiscomictag 2010 in meinem Fall auch für die Comic-Industrie gelohnt hat.

Gelungene Nibelungen

Und zwar habe ich begonnen die Götterdämmerung-Serie zu sammeln, deren Nullnummer Der Fluch des Rings im letzten Jahr für lau zu ergattern war.

Bisher habe ich die ersten beiden Bände Der Fluch der Nibelungen und Siegfried erstanden und verschlungen. Die Bände drei und vier sind auch schon erhältlich und werden sich alsbald in meinem Besitz befinden. Ich weiß, ich neige dazu, dieses Wort inflationär zu verwenden – aber die Reihe ist schlicht großartig!

Es mag Puristen geben, die an der scheinbar freien Umsetzung des Nibelungen-Stoffes herumzumeckern haben. Wobei sich die Autoren durchaus ein intensives Quellenstudium hinter sich haben. Der grobe Handlungsablauf ist vor allem Wagners Ring-Epos entlehnt, es sind viele Motive aus der Edda und verschiedener ursprünglicher Nibelungen-Varianten zu erkennen. Nun ja – und es wird natürlich auch vieles mit eigenen Ideen ausgeschmückt, was ich ausdrücklich für legitim halte.

Das Ergebnis ist jedenfalls ein bildgewaltiges Epos, das sich vor anderen Umsetzungen des Stoffes kaum verstecken muss (vor allem wenn man sich die unsägliche deutsche TV-Verfilmung von vor ein paar Jahren vor Augen hält).

Die Zeichnungen gefallen mir außerordentlich – selten so eine schöne Darstellung des eddischen Schöpfungsmythos’ gesehen.

Vorfreude

Aber zurück zum diesjährigen Gratis Comic Tag: Mit Freude habe ich bereits zur Kenntnis genommen, dass Der Comicladen am Mundsburger Damm erneut an der Aktion teilnehmen wird. Die haben das im letzten Jahr wirklich vorbildlich gemacht.

Und die Liste der zu ergatternden Comics ist auch wieder sehr verlockend. Diesmal sind es sogar satte 14 Ausgaben mehr als letztes Jahr. Es scheinen mal wieder die Splitter-Sachen zu sein, die mich besonders reizen. Zumindest vom Cover her scheinen mir die Legende der Drachenritter und Orbital sehr interessant zu sein. Das wird aber mit Sicherheit nicht das einzige sein, was ich abstauben werde. Ja, ich werde da schon auf meine Kosten kommen.

Weiß gar nicht mehr, ob’s das schon letztes Jahr gab. Ein netter Service auf der offiziellen Seite ist eine sehr schicke Checkliste.

Doch, ich freu mich auf den 14. Mai!

Lesetagebuch: Unternehmen Stardust

Ich habe bereits ausgiebig darauf hingewiesen: Die Romanheftserie Perry Rhodan wird in diesem Jahr 50. Aus diesem Anlass habe ich mir – unter anderem – erneut den allerersten Band geschnappt, mit dem 1961 alles begann.

Ich schätze es war das fünfte Mal, dass ich Unternehmen Stardust gelesen habe. Ich würde jetzt gern sagen, dass der Roman nichts von seiner Faszination eingebüßt habe … stimmt aber leider nicht ganz.

Alte Liebe rostet … nie so ganz

Als ich ihn das erste Mal las, war ich zehn Jahre alt. Es begann eine Jahrzehnte währende Karriere als mehr oder weniger kritikloser Fanboy. Heute, mit der abgeklärteren Distanz des Ex-Lesers, springen einem der eigenwillige Stil und die hölzernen Charaktere natürlich wesentlich deutlicher ins Auge.

Aber Stopp! Das wird hier jetzt auch kein Verriss. Ich finde den Roman keineswegs schlecht.

Stilblüten wie „Lesly Pounder, quadratisch von Gestalt und Charakter …“ lassen einen durchaus Schmunzeln – geben sie doch auch Zeugnis von den Umständen, unter denen Perry Rhodan entstanden ist. Es ist nun mal als „Schundheftchen“ gestartet – dieser Kategorie aber sehr schnell entwachsen.

Und vergessen wir nicht: die heute geradezu anspruchsvollen Superhelden-Graphic-Novels haben ihren Ursprung auch in übelster Kolportage. Man schaue sich nur ein beliebiges Marvel– oder DC-Comicheftchen aus den 60er Jahren an – ohne nostalgische Verklärung kann man das meiste davon heute auch kaum ertragen.

Kind seiner Zeit

Das andere ist das zeitliche Umfeld, in dem Perry Rhodan entstand. Ich habe die ersten Romane in den 80er Jahren gelesen. Zu dieser Zeit herrschte der Kalte Krieg – und die atomare Selbstvernichtung der Menschheit war als reale Möglichkeit im kollektiven Bewusstsein präsent. Kann durchaus sein, dass Unternehmen Stardust für heutige Leser, denen dieser historische Zusammenhang fehlt, nicht mehr die große Faszination ausüben kann.

Für die zwei, drei Leutchen, die die Handlung nicht kennen, sei sie schnell zusammengefasst: Wir schreiben das Jahr 1971. Amerikas erste bemannte Mission zum Mond startet unter dem Kommando von Major Perry Rhodan. Im Gegensatz zur Realität ist dies aber keine zivile NASA-Mission, sondern eine militärische Mission der US Space Force. Der Kalte Krieg ist noch schlimmer geworden. Gegenspieler der NATO ist aber längst nicht mehr der Warschauer Pakt – der spielt nur noch eine Nebenrolle – sondern die Asiatische Föderation unter der Führung Chinas.

In diesem globalen Spannungsfeld vermutet man erst das Schlimmste, als die amerikanische Mondrakete kurz vor der Landung anscheinend angegriffen und zur Notlandung gezwungen wird.

Doch dort auf dem Erdtrabanten wartet jemand, mit dem niemand gerechnet hat. Rhodan trifft auf Außerirdische, die dort notgelandet sind – und schmiedet einen Plan, der nichts Geringeres als die Einigung der Menschheit zum Ziel hat.

Wie ich finde immer noch eine gute Geschichte. Dennoch hat es mich nicht wieder gepackt. Band zwei und folgende werde ich mir nicht mehr zu Gemüte führen.

Und so schließe ich mit dem letzten Satz von Unternehmen Stardust:

„Major Perry Rhodan hatte seinen Abschied genommen.“

50 Jahre Perry Rhodan – Zeit für einen neuen Stil!

Dieses Jahr steht ein ganz besonderes Jubiläum an. Denn 1961 erblickte die größte Science-Fiction-Serie der Welt das Licht derselben – somit wird die Romanheftserie Perry Rhodan 2011 stolze 50 Jahre alt.

Edit: Seit dem 15. August steht mit Michael Tinnefeld der glorreiche Sieger fest. Lobet und preiset ihn!

Dank für viele schöne Lesestunden

Auch wenn ich jetzt seit über sieben Jahren nicht mehr lese – dieser runde Geburtstag hat für mich doch einige Bedeutung und soll daher gebührend begangen werden. Schließlich hat mich die Serie doch lange Jahre – Jahrzehnte gar – begleitet und mir viele schöne Stunden bereitet. Bis ich ihr dann weniger in Zorn denn in Gleichgültigkeit den Rücken gekehrt habe – aber das ist eine andere Geschichte. Denn die Erinnerung an die „gute alte Zeit“ ist gerade in einem solchen Jubeljahr wach.

Perry Rhodan reloaded

Schon seit fast einem Jahr rumort in mir daher die Idee, einen Beitrag zu den Feierlichkeiten zu leisten. Die Idee lautet wie folgt: Schenken wir dem guten alten Perry doch ein neues Gewand – verpassen wir ihm einen neuen Stil – reloaden wir ihn zu seinen Ehren.

Die Idee ist nicht neu, ich weiß. Superhelden-Comic-Serien machen sowas ständig. Dasselbe mit Perry Rhodan zu tun ist auch allzu naheliegend. Schon vor über zehn Jahren haben wir an PR-Stammtischen darüber diskutiert, vor ein paar Jahren habe ich mit einem Freund das Thema mal wieder hervorgeholt – dieser hat, schreibwütig wie er ist, gleich ein paar hunderttausend Anschläge in die Tasten gehauen. Nachzulesen unter dem Titel Ultimate Perry Rhodan
drüben bei Ace Kaiser.

Ein neues literarisches Gewand

Dennoch sei dies mein Vorschlag: Ihr da draußen, die ihr doch alle irgendwann mal ein Perry-Rhodan-Heft in der Hand hattet – tut es mir gleich und schnappt euch den ersten Band von 1961, lest ihn erneut … und schreibt ihn dann neu! Es muss nicht unbedingt ein moderneres Gewand sein, das wir ihm verpassen. Wie wäre es mit Steam-Punk? Manga/Anime-Mecha-Action? Western? Piraten-Abenteuern? Fantasy (ob urban oder klassisch)? Oder am Ende gar Perry Rhodan … mit Zombies!?!

Und ja … es muss natürlich nicht Band 1 sein. Dem ein oder anderen wird in den letzten 50 Jahren ein anderer Moment viel mehr in wohliger Erinnerung sein: Guckys oder Atlans erster Auftritt, die Landung des ersten Ultraschlachtschiffs, legendäre Duelle wie das zwischen Atlan und Mirona Tethin, Perrys Verbindung mit BARDIOC, … Ich käme hier vom Hundertsten ins Tausendste.

Und schließlich muss nicht gleich jeder einen ganzen Heftroman schreiben. Eine gute Kurzgeschichte tut es natürlich auch.

Segen von ganz oben

Diese Idee trug ich kürzlich an Klaus N. Frick, den Chefredakteur der PR-Serie heran – und er war durchaus angetan. Mehr noch, er stellte sogar in Aussicht – so wir bis zu einem bestimmten Datum eine ansehnliche Anzahl vernünftiger Texte zusammenbekommen –, die besten Beiträge in eine Anthologie aufzunehmen. Dem Besten der Besten winkt gar ein Preis, der auf dem Weltcon überreicht werden soll.

Na, das lassen wir uns doch nicht zweimal sagen, oder?

Noch mal im Überblick:

  • Jeder von uns schnappt sich einen Roman oder eine Szene aus 50 Jahren PR, liest sie gegebenenfalls noch einmal – und schreibt sie dann in anderem Stile neu. Entweder als Kurzgeschichte (bis 25.000 Anschläge) oder als Heftroman (bis 200.000 Anschläge). Der Text muss neu in dem Sinne sein, dass er vor 2011 noch nirgendwo veröffentlicht wurde. Ach ja – so nett Crossover sind, mit der Verletzung von Markenrechten Dritter müssen wir fürchte ich vorsichtig sein.
  • Diskutieren und präsentieren wir unsere Werke auch während der Entstehung und tauschen wir uns rege aus! Schon ab der ersten Zeile können die Beiträge hochgeladen und diskutiert werden.
  • Bis zum 31. Juli 2011 müssen wir aber spätestens fertig sein. Denn ab diesem Datum beginnt das Voting.
  • Bis zum 15. August 2011 läuft die Abstimmung. Die Top 10 in jeder Kategorie (Heftroman und Kurzgeschichte) erhalten dann die höheren Weihen einer Druckversion – die jeweils Besten werden zudem mit einem vom Verlag gestifteten „Publikumspreis“ geehrt.

Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn wir – nun vielleicht nicht unbedingt 50 – aber doch ne Menge brauchbarer Texte zusammenbekommen.

Gehen wir’s an! Mein Unternehmen Stardust liegt jedenfalls schon auf dem Nachttisch bereit.

Lesetagebuch: Denkanstöße 2011

Alljährlich bringt der Piper-Verlag ein Taschenbuch unter dem Titel Denkanstöße heraus. Darin finden sich mal mehr mal weniger interessante Artikel, die Neues zu den unterschiedlichsten Themenbereichen zum Inhalt haben sollen. Natürlich sind dies stets Auszüge aus Sachbüchern des Piper-Verlags, die selbige somit anteasen. Das finde ich allerdings nicht verwerflich – schließlich können derart ausführliche Empfehlungen für neue Sachbücher durchaus hilfreich und willkommen sein.

Alle paar Jahre erstehe ich mal eines der Denkanstöße-Bändchen – mal gefällt’s mir sehr gut – mal steht auch nur Unsinn drin.

Die 2011er Version lag unterm Weihnachtsbaum. Ich hab’s gerade ausgelesen und will schon mal vorwegnehmen: Sie gehört wieder zu den besseren.

Enthalten sind neun Artikel zu den Themen Politik, Philosophie / Religion, Naturwissenschaften und Musik.

Wenn auch mein generelles Urteil positiv ist, ist meine Meinung zu den einzelnen Beiträgen eher durchwachsen. Daher mal kurz im Einzelnen – selbstverständlich völlig subjektiv und polemisch:

So regiert die Kanzlerin – Es ist ja ach so hektisch im Alltag der Regierungschefin. Und dann schafft sie es auch noch so meisterlich, der Finanzkrise zu begegnen. Der völlig unkritische Artikel enthält keinerlei Infos, die ein normal informierter Tagesschau-Gucker und Tageszeitungsleser nicht bereits hätte. Urteil: belanglos!

Der Selbstbetrug der Mittelschicht – Sind wir wirklich eine klassenlose Mittelstandsgesellschaft? Oder lügt sich gerade die sogenannte Mittelschicht da selbst was in die Tasche? Und wem nützt das? Das war mal ein guter Denkanstoß! Denn zum Nachdenken hat er mich angeregt – und sollte es bei vielen anderen auch. Bin sogar fast soweit, über den Erwerb des dazugehörigen Buches nachzudenken.

Es folgt der Abschnitt “Philosophie und Religion” – an der Stelle muss ich kurz mal loswerden, dass ich das Zusammenwerfen dieser Beiden Themen für extrem ärgerlich halte. Genauso könnte man Astronomie und Astrologie zusammentun – oder Medizin und Homöopathie …

Was ich glaube – Zunächst musste ich mir von einem Popen gönnerhaft zugestehen lassen, dass ich auch ohne Gott ein moralischer Mensch sein darf. Ich meine, es ist natürlich schon interessant, wie er (zudem noch katholisch) eine moralische Basis menschlichen Handelns entwickelt, die ohne Religion und Glaube auskommt. Aber irgendwie finde ich sowas aus dem Munde eines Theologen immer reichlich naiv.

Der nächste Pope wollte mir was von Herzensbildung erzählen und fing die ewige Litanei an, dass unser Bildungssystem doch viel zu technisch, kalt und so überhaupt nicht emotional sei. Als wenn das das Problem wäre! Unser Bildungsproblem ist ein soziales, aber das nur nebenbei. Den Artikel musste ich abbrechen – unerträglich!

Im Bett mit Kant – Schließlich doch ein wenig Philosophie. Schwerpunkt lag auf dem Moment des Aufwachens und der philosophischen Implikationen desselben. Wie können wir uns unseres Wachseins und unserer Existenz sicher sein? usw. usf. Doch, das fand ich durchaus anregend und interessant. Ist mein Top-Kandidat für den Erwerb des dazugehörigen Buches.

Der Naturwissenschaftliche Teil beginnt mit der verrückten Welt der Paralleluniversen – sehr netter Artikel zum Thema, der im Grunde nichts radikal Neues brachte, aber irgendwie doch Lust auf mehr machte. Vielleicht landet das Buch auch noch mal in meinem Regal.

Die Steinzeit steckt uns in den Knochen – sehr informativer Text zu den evolutionären Grundlagen unseres Körpers und diverser Krankheiten. Da hab ich tatsächlich noch ein bisschen was gelernt.

Zum Schluss zwei Beiträge aus der Musik, beginnend mit Justus Franz Ansichten darüber was man über (klassische) Musik wissen sollte – joah … auch eher belangloses Geplauder …

The rest is noise – Dieser musikalische Abriss mit Schwerpunkt auf Wagner, Strauß (Richard) und Mahler hat selbst mich, der sich mit Musikhistorie nur oberflächlich auskennt ziemlich mitgerissen.

Alles in allem also ein durchaus empfehlenswerter U-Bahn-Schmöker für zwischendurch.

Lesetagebuch: Blame!

Schönes Geschenk im Schuber

Allerdings sind meine Vorbehalte gegen dieses Sub-Medium/-Genre (wasauchimmer) schon länger nicht mehr allzu groß. Daher war ich ehrlich interessiert und positiv überrascht, als mir meine Gemahlin zum Geburtstag einen großen Schuber voller Taschenbücher schenkte, die unter dem Titel Blame! ein zehnbändiges abgeschlossenes Manga-SF-Epos darstellen. Und um die Expertinnen und Experten gleich zu beruhigen: Ja, das Prequel Noise war ebenfalls dabei.

Adventure-Seeker Killy in the Cyber-Dungeon-Quest

Ich weiß, das Attribut ist mehr als abgedroschen – aber die Geschichte, die sich in diesem Werk entfaltet, ist im besten Sinne kafkaesk. Der Held namens Killy befindet sich auf einer Suche, die ihn durch eine (räumlich wie zeitlich) gewaltige labyrinthartige Welt führt, die von kaum erfassbaren Wesenheiten regiert wird und unverständlichen Regeln folgt. Ohne zuviel vorweg nehmen zu wollen: Killys Suche hat natürlich ein offenes Ende – wenn man nicht gar ihr Scheitern annehmen muss. Tatsächlich aber lässt das Ende – wie die gesamte Geschichte – den Leser reichlich ratlos zurück. Sie in einfachen Worten wiederzugeben ist daher nicht leicht.

Vielleicht die Zukunft – vielleicht die Erde

In meinen Augen ist Blame! ein hervorragendes Stück Science-Fiction. Auch wenn so gut wie nichts erklärt wird. Tatsächlich kommen einige der zehn (oder elf, wenn man das Prequel hinzuzählt) Taschenbücher fast völlig ohne Text aus. Die Wunder der fernen Zukunft sprechen in den grandiosen Bildern für sich selbst und wirken doch schlüssig und gut durchdacht.

Dennoch möchte ich mal versuchen, das Szenario zu beschreiben. Andeutungen im Prequel lassen vermuten, dass wir uns mehrere Tausend Jahre in der Zukunft befinden. Ein Panel in Noise legt zudem die Vermutung nahe, dass die gewaltige künstliche Struktur, in der Killys Suche stattfindet, von der Erde aus „gewachsen“ und in ihrer Ausdehnung längst die Mondbahn überholt hat.

Mensch-Maschinen

Das intelligente Leben (von „Menschheit“ mag man kaum mehr sprechen) hat sich in mehrere Richtungen entwickelt.

Da ist zunächst die Netzwerksphäre, eine gänzlich virtuelle Welt, in die sich etliche Menschen und KIs (wobei die Unterscheidung zwischen beidem oft schwerfällt) zurückgezogen haben. Der Kontakt zwischen virtueller und realer Welt ist mittlerweile jedoch durch eine Epidemie abgebrochen. Technische Interfaces, mit denen ein Kontakt zur Netzwerksphäre möglich wäre, gibt es kaum noch. Der einzige Weg, dorthin vorzudringen ist der Besitz so genannter Netzwerkgene, die bei fast allen Menschen durch ein Virus zerstört wurden. Die wenigen „intakten“ Menschen, die es noch geben könnte – bzw. ihr Genmaterial –, sind übrigens auch das Ziel von Killys Suche. Im Gegenzug können die virtuellen Wesen aus der Netzwerksphäre nur noch eingeschränkt auf die reale Welt zugreifen und dort agieren.

Dann gibt es das „Siliziumleben“ – Cyborg-Zombies, die Killys erklärte Feinde sind. Sie wirken, als wären sie der düstersten Warhammer-40k-Vision entsprungen. Auch wenn sie meist als Widersacher auftreten, handelt es sich bei ihnen durchaus um eine differenziert dargestellte Fraktion, die beispielsweise auch über friedliche Forscher verfügt. Sie sind der diesseitigen Welt sehr verhaftet, haben aber ebenfalls großes Interesse daran, Zugang zur Netzwerksphäre zu erhalten. Für letztere stellt das Siliziumleben jedoch eine Bedrohung dar. Der Zugang muss um jeden Preis verwehrt bleiben.

Und schließlich existieren noch zahlreiche mehr oder minder „normale“ Menschen, die teils stark mutiert, teils symbiotisch mit Maschinen verbunden sind, dass sie ebenfalls als Cyborgs gelten können. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, stellen sie anscheinend die Verlierer und Opfer der Entwicklung dar – auch wenn sich alle Menschengruppen irgendwie doch gut an ihre jeweilige Umgebung angepasst haben, sei sie auch noch so bizarr.

Etliche „reine“ KIs und (teils halb-biologische) Maschinenwesen runden das Panoptikum ab. Im Übrigen wird letztlich nie hundertprozentig klar, welcher dieser Gruppierung nun eigentlich Killy selbst angehört.

Faszinierend trostlos – erschreckend großartig

Diese Konstellationen ergeben ein schrecklich trostloses und dennoch faszinierendes dystopisches Endzeit-Szenario. Mich zumindest hat der große Interpretationsspielraum, den dieses Epos dem Leser lässt, schwer begeistert. Hinzu kommen hervorragende Zeichnungen, die die gigantomanen Strukturen und das absolut Fremdartige erschreckend gut wiedergeben. Es soll wohl eine Fortsetzung der Reihe geben. Da werd ich alsbald mal nach forschen.

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